Familie

Geschichte

Der Abend vor der Heimkehr
Der peitschende Wüstenwind drückte durch die Kluften und Spalten der Berge gegen die Zeltwand. Es war kurz vor Sonnenuntergang. Sahin saß auf einer Bank mit dem Blick auf seinen Säbel gerichtet. Die sonnengegerbten Finger glitten über die prachtvolle Klinge.

In seiner Handfläche hielt er einen Schleifstein gegen die Schneide, wohl bedacht jene perfekt zu schärfen.
Das metallene Ächzen des Steins vermischte sich mit den zischenden Winden ums Zelt.

Drei Jahre waren es nun seit den Vorfällen im Palast. Wäre er nur da gewesen, wäre er nicht an der Grenze gewesen, hätte er es verhindern können.

Sahin schloss die Augen.

Wie ein Stich einer Klinge das Leben vieler verändern kann, sinnierte er. Was hatte den Geist seines Fadrims nur so vergiftet das er die Klinge in den Leib des Kindes trieb. Waren es Wünsche des eigenen Todes als er dem blau Äugigen Kind das Leben nahm? Sahin atmete lang und tief aus.

Drei Jahre voller Scham und Schande. Entehrt, alle Taten vergessen und den Besitz genommen. Das Haus Dawada hatte mit einem Stich alles verloren.

Eine Tat die unbedeutend für die Zeit war aber Welten verändernd für jedes Mitglied der Familie. Wäre sein Fadrim denn nur gefasst worden, hätte man ihn nur nach der Tat erwischt, hätte es die Familie besser überstanden.
So aber musste das Haus Omar davon ausgehen das es keine Tat des Einzelnen war. Die Nachricht der Entehrung kam kurz nach einer Schlacht, Sahin der in einem Augenblick noch ein Held der Schlacht war wurde in einem Wimpernschlag später nur noch verachtend angesehen.

Oh Mara helfe mir. Drei Jahre jage ich nun meinen Fadrim, doch konnte ich der Schlange nicht den Kopf abtrennen.
Der Verrat ging tief und viele der eigenen Familie wurden durch Sahins Hand gerichtet. Übriggeblieben war kein Dutzend der einst so ehrhaften Familie.

Das Sonnenlicht brach sich in der Klinge, als ein Hüne von Mann durch den Eingang des Zeltes kam. Mein Herr, es gab wieder einen Angriff, euer Fadrim hat uns erneut in eine Falle gelockt. Sahin blickte dem dunkelhäutigen Krieger an.
Jabal war ein alter Freund der Familie und ein treuer Kamerad aus unzähligen Schlachten. Sahin hatte ihn in seine Familie aufgenommen, um ihm für seine Treue zu entlohnen und nun konnte er ihm kaum ins Gesicht blicken, so sehr lag die Schande auf Sahins Schultern. Ein Angriff sagst du, brummte Sahin wieder, den Blick auf den Säbel gerichtet.
Aiwa mein Herr, tiefer im Gebirge hatte er uns aufgelauert.
Habt ihr ihn erwischt? wollte Sahin wissen.
Jabal schaute ihn an und verengte nachdenklich die Augen und seine Stimme war ruhig und tief. Neda mein Freund wir haben Verluste und auch Tote.
Sahin schaute auf, in seinem Blick war Wut.
Sahin mein Freund wie lange willst du uns noch durch die Durrah in den Duat führen?
Jabal legte die grobe Hand auf den Ärmel von Sahin. Wann kehren wir heim?
Heim fragte Sahin, wir haben kein Heim mehr, die Mauern des Hauses Dawada liegen unter dem Sand und niemand kennt mehr unseren Namen noch unsere Taten. Wir sind Ehrlose, wir sind Hanaan´s mein Freund. Unsere Familie muss bluten bis mein Fadrim Tot ist. Wir können kein neues Fundament errichten auf Sand!

Jabal schaute in das traurige Gesicht Sahins, schloss die Augen und löste den Griff. Neda, man kann kein Haus auf Sand bauen mein Freund, aber ein Zelt. Die Familie sollte das entscheiden, Ehre erlangt man auch indem man sich seiner Schwäche bewusst ist. Ändere deine Möglichkeiten, nicht dein Ziel. Im Namen deines Fadrims wurde genug Blut vergossen, trage das nicht auf dem Rücken derer aus die dir treu zur Seite stehen.

Die Familie Omar wird dir helfen, wenn du sie bittest. Sahin blickte Jabal an, wollte ihn tadeln, maßregeln, doch er hatte recht. Drei Jahre lang blutete seine Familie, dank seinem Verrat kämpften Brüder gegen Brüder, Söhne gegen Väter. Es war fast so als ob sich die Schlange selbst verschlang bis von ihr nichts über ist.

Dankbarkeit quellte in Sahin auf, dankbar für die Treue seines Freundes und Dankbarkeit für seinen Mut, ihm getrieben von Loyalität und Ehrlichkeit die Wahrheit zu sagen. Blinder Zorn ist nicht der Weg der Mara, Rache hat keine Ehre und seine Familie hatte genug gelitten.

Wie hatte er das vergessen können?

Aiwa … wir brechen auf, sag allen das wir bei Sonnenaufgang zurück nach Menek’ur reisen.

Jabal stand auf und verbeugte sich knapp.
Abeer Eluv!

Dann wandte er sich ab und verließ das Zelt. Sahin ließ die Klinge der Waffe in die Scheide gleiten. Die Durrah gibt und nimmt, doch Eluv schenkt uns immer Hoffnung.
Er kniete sich zum Gebet hin und als die Sonne ins Meer stürzte, echoten die Fürbitten Sahins durch das kleine Lager tief im Gebirge.